#Digitalisierung (Part 03) – Alles nur ein Hype?

DER UMGANG MIT KOMPLEXITÄT UND TECHNOLOGISCHEN TRENDS

Der zweiten Artikel behandelte das Begriffsverständnis verschiedener Autoren zum Thema Digitalisierung. Dabei wurde auf die verschiedenen Dimensionen und Interpretationen eingegangen. Es zeigte sich, dass kritische Stimmen in der Digitalisierung einen Hype oder gar eine modische Überhöhung sehen. Der folgende Artikel wird sich deshalb mit der Thematik des Hypes auseinandersetzen.

Hype?

Das Unternehmen Gartner, Inc. hat sich auf die Bewertung vielversprechender Technologien spezialisiert. In diesem Zusammenhang wurde das Modell des Gartner Hype Cycle entwickelt. Es soll dabei helfen, die Innovationsreife und das zukünftige Potenzial aufstrebender Technologien, zu bewerten. Dem Modell zufolge durchläuft jede neue Technologie ein spezielles Muster. Von übermäßigem Enthusiasmus, über eine Phase der Desillusionierung, bis hin zu einem besseren Verständnis der Relevanz und Rolle in einem Markt. Die Kurve zeigt somit den Ablauf eines technologischen Hypes im zeitlichen Verlauf. Die verschiedenen Symbole (in den original Grafiken) beschreiben dabei, wie lange es schätzungsweise noch dauert, bis eine Technologie ihre Marktreife erreicht hat (Vgl. Fenn, Jackie; Markus, Blosch 2018).

Abbildung 1: Hype-Cycle in Anlehnung an Gartner, Inc. (Quelle)

Hier beispielsweise eine Darstellung von relevanten Technologien für das Jahr 2018:

Abbildung 2: Hype Cycle for Emerging Technologies, 2018, Gartner, Inc. (Bildquelle: Gartner)

Dabei fällt auf, dass eigentlich alle Technologien, die in Zusammenhang mit der Digitalisierung genannt werden, auch auf dem Gartner Hype Cycle angeordnet sind oder waren (betrachten Sie hierzu die Hype Cycle der letzten drei Jahre: 202020192018). Manche können sich mit der Zeit etablieren andere verschwinden wieder, da sie sich nicht durchsetzen konnten. Der Hype-Cycle ist somit nur eine Momentaufnahme (Vgl. Panetta 2018). Genauere Erläuterungen zum Hype-Cycle finden sich im deutschen Wikipedia-Artikel.

Laut Mertens spricht die derzeitige „inflationäre Verwendung“ des Begriffs „digital“ und der Ziffer „4.0“ dafür, dass die Themen rund um Digitalisierung und Industrie 4.0 dem Entwicklungsmuster des Gartner Hype Cycle zuzuordnen sind. Falls diese These zutrifft, müsste es demzufolge aktuell viel zu optimistische Prognosen geben. Widerstände und Schwierigkeiten könnten aber später im weiteren Verlauf dazu führen, dass es zu Enttäuschungen bei den Erwartungen an eine Technologie oder Innovation kommt. Schlussendlich würden die Technologien nach einigen Jahren Forschung in Wissenschaft und Praxis entweder einen soliden Entwicklungsstand auf einem höheren Niveau erreichen oder vom Markt verschwinden (Vgl. Mertens et al. 2017, S. XI). 

Die Betrachtung als Hype Cycle ist laut Mertens deshalb wichtig, weil ein Hype dazu führen kann, dass zu viele Ressourcen in ein Projekt gesteckt und dadurch grundsätzliche Aufgaben vernachlässigt werden (Vgl. Mertens et al. 2017, S. 64). 

Mertens steht als Wirtschaftsinformatiker dem Trend Digitalisierung eher kritisch gegenüber. Er verweist auf das Platzen der sogenannten „Dotcom Blase“ im November 1999 (Vgl. Mertens et al. 2017, S. VII). Damals drehte sich alles um neue Geschäftsmodelle im Internet. Kapitalgeber investierten große Summen in riskante Startups. Die meisten von ihnen hatten jedoch nicht mehr als ein „.com“ im Namen. Weder ein funktionierendes Geschäftsmodell noch echte Kunden oder Umsätze steckten dahinter (Vgl. Depiereux 2018). 

Die hohen Erwartungen an die Rentabilität führten damals schließlich zum Platzen der Spekulationsblase. Für die „New Economy“ bedeutete dies das Ende. Der Siegeszug des Internets stand aber gerade erst am Anfang (Vgl. Borchers 2010).  

Abbildung 3: Nasdaq Composite Börsenkurs bis zum 12.01.2021 (Quelle)

Immer wieder wird in den Medien von einer neuen Dotcom-Blase im Technologie Sektor gewarnt, doch bis heute steigen die Kurse. Das Handelsblatt berichtet beispielsweise in einem Artikel vom 3. Dezember 2018 vor einer neuen Dotcom-Blase, da viele Startups überbewertet seien (Vgl. Köhler 2018). 

Der Vergleich mit der New Economy liegt vielleicht auf den ersten Blick auf der Hand, da jetzt auch wieder die Rede von neue Geschäftsmodellen ist. Dennoch stellt sich die Situation heute anders dar, wie auch die Tagesschau in einem Artikel im März 2020 berichtet. So wird der Leiter des Portfoliomanagements Aktien bei Union Investment zitiert:

„Mit den damaligen Exzessen ist die heutige Situation nicht vergleichbar. […] Der Markt differenziert zwischen Unternehmen mit einem wachstums- und gewinnstarken Geschäftsmodell sowie reinen Hoffnungswerten mit viel heißer Luft“ 

Benjardin Gärtner

Hinter den meisten Technologien und Unternehmen steht heutzutage ein echter Wert und ein funktionierendes Geschäftsmodell sowie echte KundenUmsätze und vor allem Daten. Unternehmen wie Google und Amazon besetzen die Kundenschnittstelle. Diese Unternehmen sind innovativ und erfinden sich ständig neu. Wenn Kritiker die Digitalisierung als Blase beschreiben, haben sie die Bedeutung der digitalen Transformation nicht verstanden, argumentiert Depiereux vom Beratungsunternehmen etventure (Vgl. Depiereux 2018). 

Die Digitalisierung als bloßen Hype abzutun wäre so gesehen genauso falsch wie der totalen Euphorie zu verfallen. Der Gartner Hype Cycle zeigt, dass die Wahrheit oft irgendwo dazwischen liegt. Technologien brauchen Zeit, um sich zu entwickeln, entweder sie scheitern und verschwinden wieder oder sie können sich etablieren. In diesen Zusammenhang passt auch das Zitat von Bill Gates: 

“Most people overestimate what they can do in one year and underestimate what they can do in ten years.” 

Bill Gates

Es gibt zwar technologische Hypes, aber Marktveränderungen, digitaler Wandel und disruptive Geschäftsmodelle sind Realität. Hanschke ist ebenfalls der Überzeugung, dass Digitalisierung kein Trend oder eine Modeerscheinung ist (Vgl. Hanschke 2018, S. 6). 

Jede Technologie bietet ihre Chancen und Risiken und muss einzeln für sich bewertet werden. Digitalisierung sollte dabei nicht im Gesamten als Hype betrachtet werden. Schuldt sieht das ähnlich, Digitalisierung sollte abseits der Hypes und Buzzwords untersucht werden. Er plädiert für „ein ganzheitliches, systemisches Verständnis von Digitalisierung“. Seiner Meinung nach brauchen wir einen ganzheitlichen Blick auf die „vernetzte Realität des 21. Jahrhunderts“. Grundlage hierfür ist der „selbstbewusste Umgang mit Unsicherheit und Komplexität“ (Schuldt 2018).

Zusammenfassung und Ausblick

Nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, dass hinter vielen Technologien ein wichtiger Wirtschafts- und Wettbewerbsfaktor steckt. In diesem Artikel wurde erläutert, was unter einem technologischen Hype zu verstehen ist und wie der Gartner Hype Cycle interpretiert wird. Hypes gehören zur Natur der Sache bei neuen Innovationen. Es ist wichtig zu begreifen, dass neue Technologien eine gewisse Entwicklungszeit benötigen. Sofern sie sich etablieren können, kann nach Abwägung der Risiken, früher oder später die Technologie getestet werden. Schlussendlich muss ein Unternehmen erkennen, wann eine Innovation oder Technologie die Marktreife erreicht hat und wie man sie, gewinnbringend, für sich nutzen kann.

Die Welt dreht sich immer schneller. Immer mehr Technologien drängen in den Markt. Wie geht man mit dieser Komplexität und Unsicherheit um? Dieser und weiteren Fragen wird sich der nächste Artikel widmen.

(Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. Januar 2021 auf meinem LinkedIn-Account.)

Quellen:

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